Die Beethovenstraße 8

Aktuelle Aufnahme der Beethovenstraße 8, Julia Wigger, Mai 2019, CC-BY-NC-SA 4.0.

Dieses repräsentative Eckgebäude wurde vom Architekten Arwed Roßbach (1844-1902), einem der führenden Architekten des Leipziger Historismus, für das Musikviertel entworfen. Heute wird es zu den schönsten Bürgerhäusern Leipzigs gezählt, doch zu DDR-Zeiten war die Beethovenstraße 8 von Vernachlässigung und Verfall bedroht.

Zustand der Beethovenstraße, vermutlich in den 1980er Jahren. Archiv der Bürgerbewegung Leipzig, Bestand: 50.004.01. Mit freundlicher Genehmigung von Wieland Zumpe.

Zustand der Beethovenstraße, vermutlich in den 1980er Jahren. Archiv der Bürgerbewegung Leipzig, Bestand: 50.004.01. Mit freundlicher Genehmigung von Wieland Zumpe.

Das Gebäude wurde als Wohnhaus genutzt und von mehreren Parteien bewohnt. In einer der Wohnungen lebte seit den 1950er Jahren Familie Zumpe. Ihre Bemühungen zur Verbesserung der Wohnsituation und zur Erhaltung der Bausubstanz lassen sich über mehrere Jahrzehnte und zwei Generationen nachzeichnen. Anfangs wurden sie von Karl und Ursula Zumpe getragen, später zusätzlich von ihrem Sohn Wieland. Karl Zumpe war von 1958 bis 1989 Direktor des bekannten Leipziger Gewandhauses und bereits während seines Musikstudiums Ende der 1940er Jahren in die SED eingetreten. Über den Hintergrund seiner Frau Ursula ist wenig bekannt. Erst bemühte sich die Familie, Verbesserungen für ihre eigene Wohnung herbeizuführen, indem sie Anfragen an die Hausverwaltung schrieb. Wenig später begannen sich die Familienmitglieder im Haus zu vernetzen und Anfragen zu bündeln: Sie gründeten ein Mieterkomitee und richteten regelmäßige Treffen für die Bewohner*innen aus, zudem schrieben sie offizielle Beschwerden, sogenannte Eingaben, an die SED-Bezirksleitung und den Rat der Stadt Leipzig, die immerhin zu Gesprächen mit dem Büro des Chefarchitekten und dem Büro des Bezirksbürgermeisters führten. Doch all dies brachte nur kleine Verbesserungen und insgesamt verschlechterte sich sowohl der Zustand des Gebäudes als auch der Wohnungen immer weiter.

Zustand der Beethovenstraße, vermutlich in den 1980er Jahren. Archiv der Bürgerbewegung Leipzig, Bestand: 50.004.01. Mit freundlicher Genehmigung von Wieland Zumpe.

Zustand der Beethovenstraße, vermutlich in den 1980er Jahren. Archiv der Bürgerbewegung Leipzig, Bestand: 50.004.01. Mit freundlicher Genehmigung von Wieland Zumpe.

Noch 1991 listete Familie Zumpe folgende Schäden in ihrer Wohnung auf: Der Balkon sei nicht begehbar, verschmutzt durch Taubenkot, und das Mauerwerk bröckele ab. Beinahe sei ein Tourist von herabfallendem Mauerwerk getroffen worden. Im Balkonzimmer könne der Ofen nicht genutzt werden und der elektrische Nachtspeicherofen heize nicht ausreichend. Seit den Dachdeckerarbeiten 1988 gäbe es im Erker Nässestellen und die Fenster seien undicht, was besonders im Winter zum Problem werde. In mehreren Zimmern gäbe es Nässeschäden, es regne durch. Das Kämmerchen sei so feucht und nicht beheizbar, dass Textilien anfingen zu schimmeln. In der Speisekammer gäbe es Wandschäden, deutlich sichtbare Querrisse durchzögen die Wand. Zudem hätten Küche, Bad und Toilette keine Fliesen.

Allerdings rückten mit der Wiedervereinigung für die Bewohner*innen des Hauses schnell neue Fragen in den Mittelpunkt. Es ging nicht mehr nur um den schlechten Zustand des Hauses und der Wohnungen, sondern vor allem um die Klärung der Eigentumsverhältnisse, den Umgang mit der 1992 ermittelten, westdeutschen Eigentümerin, um anstehende Mieterhöhungen und um eine geplante Sanierung. Doch hiervon waren nicht nur die Bewohner*innen der Beethovenstraße 8 betroffen. In der Nachbarschaft kamen ähnliche Fragen auf. 1990 gründet sich daraufhin der unabhängige Verein „Musikviertel e.V.“, dessen erster Vorsitzender lange Zeit Wieland Zumpe war. Sein Ziel: die Entwicklung des Musikviertels aktiv mitgestalten.

Autorin: Julia Wigger

Quellennachweise:

Archiv Bürgerbewegung Leipzig e.V., Sammlung Wieland Zumpe (050.004)

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