Die ehemalige Residenzstadt Dessau, dessen Zentrum im Krieg zu 85 Prozent zerstört worden war, verlor durch Flächenabrisse in den siebziger Jahren weitere große Teile des Altbaubestandes. Doch dies war noch nicht das Ende der Kahlschlagsanierungen. Besonders im Nordteil von Dessau war eine ausgedehnte Überformung geplant. Unmut in der Bevölkerung erregte, dass 1981 mit dem Schwedenhaus und dem Seelmannschen Haus zwei wertvolle Baudenkmale unter dubiosen Umständen verloren gingen.
Ein Kristallisationspunkt für den Gedankenaustausch junger Leute, die den zunehmenden Gesichtsverlust ihrer Stadt nicht mehr hinnehmen wollten, war der Kreis um den Steinmetz Volker Wotzlaw, der sich intensiv um Wiederherstellung des Israelitischen Friedhofs kümmerte. Einen formellen Rahmen boten der neu gegründete „Kreuzbergklub“ und der „Freundeskreis des Bauhauses“.
Mit der Interessengemeinschaft Stadtgestaltung entstand eine Diskussionsplattform, auf der Fragen der Denkmalerhaltung und Stadtentwicklung schnell eine gesamtgesellschaftliche Qualität bekamen. Am 7. Mai 1989 dokumentierten zwei Mitglieder die lokalen Unregelmäßigkeiten bei der Kommunalwahl und starteten eine Eingabe zur Aufklärung der offensichtlichen Wahlfälschung, was staatliche Repressionen und zum Weggang der Beteiligten aus der DDR nach sich zog. Gefälschte Stimmenauszählungen kamen auch in anderen Städten ans Licht. Die Vorgänge wurden in Flugblättern und Schriften “zum innerkirchlichen“ Gebrauch öffentlich gemacht und lösten in den Folgemonaten wachsende Protestkundgebungen aus .
Einige der Mitstreiter der Gruppe wurden nach der Wende bei den Grünen aktiv – auf lokaler, zum Teil auch auf Bundesebene.
Autor: Andreas Butter