Die pensionierte Museumsdirektorin Käthe Rieck gratuliert dem Stadtarchivar Herbert Ewe zum 60. Geburtstag.

Die pensionierte Museumsdirektorin Käthe Rieck im Jahr 1981, als sie dem Stadtarchivar Herbert Ewe zum 60. Geburtstag gratuliert. Rieck hat sich seit den 1950er Jahren um die Denkmalpflege in der Hansestadt Stralsund verdient gemacht. Sie wurde über 100 Jahre alt. Noch heute wird zu ihren Ehren eine Auszeichnung für besonders gelungene denkmalpflegerische Projekte in der Stralsunder Altstadt verliehen.
Fotografin: Brigitte Pagel.
Quelle: Stadtarchiv Stralsund, Sigantur II-e-02a-076.

 

Als am 3. Mai 1963 erstmals eine Gruppe von Fachleuten als AG Altstadtsanierung im Rathaus Stralsund zusammenkam, war darunter auch eine Käthe Rieck, die die kulturpolitischen Geschicke der Stadt schon seit vielen Jahren mitgeprägte. Rieck, Jahrgang 1902, hatte gerade erst das Amt der Leiterin des Kulturhistorischen Museums Stralsund abgegeben und wirkte nun als ehrenamtlich Mitarbeiterin für Denkmalpflege in der Hansestadt. In dieser Funktion war es ihr möglich durch das Schweriner Institut für Denkmalpflege und den Kulturbund die städtische Denkmalpflegepolitik mitzubestimmen.

Käthe Rieck kam in Rostock zur Welt, seit 1914 lebte sie in Stralsund, wo sie ihre Jugend – geprägt durch den Ersten Weltkrieg und die Nachkriegszeit – verbachte. Nachdem Fritz Adler im Jahr 1919 die Leitung des 1859 gegründeten Kulturhistorischen Museums übernahm, wurde Käthe Rieck im Jahr 1921 seine Assistentin. In dieser Position organisierte sie 1924 den Umzug des Museums in das Katharinenkloster in der Altstadt mit, ein Ort, dem sie zeitlebens verbunden bleiben wird. In den Kriegsjahren war sie maßgeblich daran beteiligt, die Museumsstücke in Sicherheit zu bringen. Nach dem Ende des Krieges organisierte sie ihre Rückführung der Exponate. Nachdem der vormalige Leiter Fritz Adler nach Anschuldigungen, er sei mit dem NS- System verbunden gewesen, in die Bundesrepublik ausgereist war, übernahm Käthe Rieck den Posten als Leiterin des Kulturhistorischen Museums.[1] Als solche engagierte sie sich bereits für die Erhaltung von Denkmalen in Stralsund. Zum Beispiel versuchte sie noch in letzter Sekunde, den drohenden Abriss des Semlower Tors zu verhindern.

Kurz nach Ihrem 40-jährigen Dienstjubiläum und ihrem Dienstabtritt im Jahre 1963, wurde Käthe Rieck „ehrenamtliche Vertrauensfrau für Denkmalpflege“ – damals wurde sie wie selbstverständlich meistens als „Vertrauensmann“ bezeichnet – und als solche dem Institut für Denkmalpflege Schwerin unterstellt. Die erste Denkmalpflege-Verordnung in der DDR von 1961 regelte die Aufgaben dieser sogenannten Vertrauensleute: Diese sollten bei der Bevölkerung für die Denkmalpflege werben und die zuständigen Verwaltungsbehörden bei der Feststellung und Überwachung von Denkmalen unterstützen.[2]

Als Vertrauensfrau für Denkmalpflege betrieb sie Bauforschung und erstellte zahlreiche Vorschläge für den Umgang mit Gebäuden, die unter Denkmalschutz standen oder von ihr als stadtbildprägend angesehen wurden. Außerdem war sie Mitglied der eingangs erwähnten AG Stadtsanierung der Hansestadt, die zwischen 1963 und 1966 für die Rettung und Modernisierung zahlreicher Stralsunder Gebäude verantwortlich war. Neben Rieck gehörten der AG Vertreter des Stadtbauamtes, der Stadtsparkasse, dem Institut für Denkmalpflege, der Gebiets-, Stadt- und Dorfplanung und anderer staatlicher Stellen an. Käthe Rieck hatte die Gründung einer solchen Kommission bereits 1958 gefordert.[3] Im Januar 1966 löste sich die Gruppe wahrscheinlich auf, nachdem höhere Stellen auf eine verbesserte „staatliche Zusammenarbeit“ pochten und Entscheidungen beispielsweise nur noch als „vorbereitete beschlussfähige Tagesordnungspunkte“ gefasst werden konnten. So steht es im letzten abgelegten Protokoll des Stadtarchiv Stralsunds.

Käthe Rieck blieb aber Vertrauensfrau für Denkmalpflege. Sie fertigte darauffolgenden Jahren weiter unablässig Bauzustandsuntersuchungen und denkmalpflegerische Zielstellungen für Gebäude in der Altstadt und organisierte Geld, um die Instandsetzung zu gewährleisten.[4] Der Aufgabe, für die Belange der Denkmalpflege in der Öffentlichkeit zu werben, kam sie zum Beispiel mit einer Artikelserie in den Norddeutschen Neuesten Nachrichten nach, wo sie zwischen 1966 und 1968 zahlreiche Einzeldenkmale in der Stralsunder Altstadt portraitierte.

2004 verstarb sie im hohen Alter von 102 Jahren. Sie ist seit 1996 Ehrenbürgerin der Hansestadt Stralsund und seit 1978 Trägerin der Becher-Medaille, einer wichtigen Auszeichnung des Kulturbundes der DDR. Seit 2016 verleiht die Hansestadt Stralsund zu Ehren der berühmten Denkmalpflegerin die Käthe-Rieck-Urkunde für ausgezeichnete Leistungen bei der Denkmalsanierung in der Stralsunder Altstadt.

Käthe Rieck hat viel zur Rettung und Denkmalpflege in Stralsund beigetragen – besonders in einer Zeit, die für die DDR in der Regel nicht mit aktiver Denkmalpflege assoziiert wird.

Autor: Jannik Noeske

Quellenangabe:
Stadtarchiv Stralsund, Rep 61, Nr. 2300, Altstadtsanierung von Stralsund, Laufzeit: 1963 – 1966.

Stadtarchiv Stralsund, N Rie, Nachlass Käthe Rieck.

Literatur:
[1] zur Biografie von Käthe Rieck siehe: Nößler, Marieta (1998): Frauen in der Stralsunder Stadtgeschichte, Stralsund, S. 147.

[2] Wüllner, Katja (2015): Hinter der Fassade. Das institutionelle System der Denkmalpflege in der DDR untersucht am Beispiel der thüringischen Städte Erfurt, Weimar und Eisenach, Dissertation an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg, https://opus4.kobv.de/opus4-btu/frontdoor/index/index/year/2016/docId/3885 (abgerufen am 22.12.2021).

[3] Rieck, Käthe (1958): Denkmalpflege in Stralsund und ihre nächsten Aufgaben, in: Städtebau und Siedlungswesen. Kurzberichte über Forschungsarbeiten und Mitteilungen 12/13, S. 85-92, hier S. 91.

[4] Nachlass Käthe Riecks im Stadtarchiv Stralsund, Signatur: Nachlässe N Rie.

Zitationsvorschlag:
Noeske, Jannik (2021): Käthe Rieck [Stadtwendepunkt], urn:nbn:de:101:1-2021022379, www.stadtwende.de (Stand 12/21)

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