Heute zieht Pirna mit dem nahegelegenen Elbsandsteingebirge und der historischen Altstadt mit ihren Bürgerhäusern, reichverzierten Giebeln, Erkern und Sitznischenportalen Besucher*innen an. Das ist nicht zuletzt dem Einsatz der Stadtbewohner*innen zu verdanken.
Ende der 1980er Jahre begannen Pirnaer Bürger*innen sich zu organisieren und über die Missstände in ihrer Stadt auszutauschen. Probleme wurden nicht mehr nur in kleinen kirchlichen Friedensgruppen diskutiert, der offene Treff der Friedensgruppe in der Hospitalkirche wurde zum wöchentlichen Friedensgebet, an dem teilweise über 100 Menschen teilnahmen. Neben der verheerenden Luftverschmutzung, dem Waldsterben und der atomaren Bedrohung war der Verfall der Altstadt ein wichtiges Thema für diese Gruppen. Die Vernachlässigung der Gebäude, der Leerstand und die nach Abrissen entstandenen Baulücken sorgten für Diskussionen.
Der im September 1989 gestartete Aufruf „Die Zeit ist reif – Aufbruch 89“ des noch verbotenen Neuen Forums erreichte auch Pirna. Als Anfang November das Neue Forum offiziell zugelassen wurde, nutzte man in Pirna die Gelegenheit, um eine erste Demonstration anzumelden. Diese fand am 19. November 1989 statt. Es gingen etwa 8.000 Menschen auf die Straße und demonstrierten für freie Wahlen, saubere Luft und die Erhaltung der Altstadt. „Die Stasi soll die Straße fegen, statt dicke Akten anzulegen“, „Wir brauchen mutige Reformer“ und „Stoppt den Zerfall“ war auf den Plakaten zu lesen. Die Erhaltung der Altstadt war eines der Themen, welche die Bürger*innen in Pirna auf die Straße brachten.
Im Kontext des Neuen Forums entstand schnell die „Bürgerbewegung Rettet Pirna“ als eigenständige Gruppe. Im Gegensatz zum Neuen Forum widmete sie sich einem konkreten Problemfeld: der Erhaltung der Altstadt. Diese Fokussierung machte es leichter, Menschen mit verschiedenen politischen Ausrichtungen zur Mitarbeit zu mobilisieren. Zur Gruppe zählten neben beruflich mit dem Bauwesen befassten Personen ganz unterschiedliche Stadtbewohner*innen. Das vorerst wichtigste Projekt der „Bürgerbewegung Rettet Pirna“: Den geplanten Abriss des sogenannten Teufelserkerhauses verhindern. Das Teufelserkerhaus befindet sich in der Oberen Burgstraße, am Fuße des Schlossberges. Es wurde Ende des 16./Anfang des 17. Jahrhunderts unter der Einbindung älterer Baureste errichtet. Seinen Namen geben ihm drei Teufelsfiguren, die einen übereckangebrachten, zweigeschossigen Erker tragen, dazu die am unteren Sims in Stein gehauene Inschrift: „ich wolds so haben was fragstu darnach“. Die „Bürgerbewegung Rettet Pirna“ schaffte es, den Abriss zu verhindern. In der Folgezeit rief sie immer wieder zu notwendigen Beräumungsarbeiten und Sicherungsmaßnahmen am Gebäude auf.
Doch es ging der Bürgerbewegung nicht nur um das Teufelserkerhaus, sondern um die Erhaltung der Altstadt im Allgemeinen. Denn auch nach der Wiedervereinigung war die Altstadt in Pirna noch vom Verfall bedroht. Um sich den neuen Gegebenheiten anzupassen und dauerhaft handlungsfähig zu bleiben, gründete sich aus der „Bürgerbewegung Rettet Pirna“ im März 1991 das „Kuratorium Altstadt Pirna“ als eingetragener Verein. Diese Institutionalisierung eröffnete neue Möglichkeiten und Wege in der lokalen Politik mitzureden. Auch wenn die Aktionsformen nun angepasster waren, so blieb das Kuratorium ein kritischer und mahnender Beobachter der Stadtentwicklung. Heute ist das Kuratorium ein etablierter Teil der Pirnaer Stadtgesellschaft. Es gehört mit seinen fast 200 Mitgliedern zu den größten Kulturvereinen der Stadt.
Autorin: Julia Wigger