In den 1980er Jahren prägte die vernachlässigte und bröckelnde Altbausubstanz die Städte in der DDR ebenso wie die industriellen Neubauten auf der „Grünen Wiese“, deren Großtafelbauweise schrittweise auch Einzug in die Innenstädte hielt und meist den Abriss von alter Bausubstanz voraussetzte. Während für viele Stadtbewohner*innen der Umzug von einer feuchten Altbauwohnung mit Außen-Klo in einen Neubau mit eigenem Bad und fließend-warmen Wasser eine deutliche und zufriedenstellende Verbesserung versprach, gab es auch andere, die sich von der „alten Stadt“ und ihrer Bedeutung nicht ohne Weiteres lösen konnten oder die keine Neubauwohnung zugewiesen bekamen. Am zunehmenden Verfall und Leerstand, an geplanten innerstädtischen Abrissen, am Verlust von Baukultur und historischer Substanz sowie am Mangel von Baumaterialien und an der zentralistischen Steuerung des SED-Bauwesens entzündeten sich Diskussionen. Stadtbewohner*innen fanden sich zusammen, um in Selbsthilfe Dächer zu reparieren, alte Baumaterialien zu sammeln, gegen geplante Abrisse zu protestieren oder den vorgesehenen Weg zu nehmen und Eingaben an kommunale oder zentrale Institutionen zu richten. Auffällig ist, dass es sich hierbei keineswegs um ein einmaliges Phänomen handelte. Bereits für die 1980er Jahre lassen sich erste Gruppen nachweisen, deren Zahl im Herbst 1989 exponentiell anstieg. Spätestens für die Zeit nach dem Mauerfall sind in nahezu allen DDR-Bezirken Bürgergruppen nachweisbar.

Das Arbeitspaket untersucht die Vielfältigkeit und Entwicklung des bürgerschaftlichen Engagements gegen Verfall und Abrisse vor, während und nach der Friedlichen Revolution. Es fragt danach, unter welchen Bedingungen Gruppen entstehen konnten, wie sich diese zusammensetzten und welche Ziele sie verfolgten. Ging es hauptsächlich um den baulichen Zustand der eigenen Wohnung und Nachbarschaft, um die Verhinderung von Abrissen oder um die Pflege und Erhaltung einzelner Baudenkmale? Bei der Auseinandersetzung spielt auch die staatliche Bewertung der Gruppen eine zentrale Rolle; eine Organisation außerhalb von staatlichen Institutionen war prinzipiell unerwünscht und Kritik am staatlichen Vorgehen wurde schnell politisch aufgeladen. Es stellt sich die Frage, wie staatliche Institutionen die aufkommenden Gruppen bewerteten sowie ob und wie die Gruppen versuchten einer staatlichen Kriminalisierung zu entgehen. Welche Rolle spielten staatliche Organisationen wie der Kulturbund oder die Wohnbezirksausschüsse oder bot die evangelische Kirche ein schützendes Dach für das Engagement? Wie steht es um das Selbstverständnis der Akteur*innen, verstanden sie ihr Engagement als hauptsächlich unpolitisch oder forderten sie leichter zugängliche Informationen und ein Mitspracherecht in der Stadtplanung und kritisierten somit direkt das staatliche Vorgehen? Darüber hinaus wird untersucht, welche Handlungsspielräume die Akteur*innen hatten, welche Erfolge sie erzielten und welche Niederlagen sie einstecken mussten und wie sich ihr Einfluss vor, während und nach der der Friedlichen Revolution veränderte.