Nachdem 1986 das Bauhaus Dessau formell als „Zentrum für Gestaltung der DDR“ neu gegründet worden war, wurde 1987 das erste Internationale Walter-Gropius-Seminar veranstaltet. Die Walter-Gropius-Seminare sollten alle zwei Jahre mit internationaler Beteiligung stattfinden, da Internationalität ein zentraler Auftrag des neugegründeten Bauhauses war.
1987 fand das I. Internationale Walter-Gropius-Seminar am Bauhaus Dessau zum Thema „Wohnarchitektur für Dessau, Weiterentwicklung des Wohnungsbaus mit industriellen Bauweisen nach 1990“ statt. Das Seminar, an dem u. a. Hinrich Baller aus Hamburg und Jos Weber aus Luxemburg teilnahmen, sollte Entwurfsvorschläge für „baubare neuartige Lösung in der Großtafelbauweise“ (Bauakademie der DDR/Bauhaus Dessau 1989: 7) schaffen. Die Ergebnisse des Seminars, in dem in vier Entwurfsgruppen verschiedene Vorschläge entwickelt wurden, wurden zwar veröffentlicht, aber nicht umgesetzt.
Mit dem II. Internationalen Walter-Gropius-Seminar vom 4. bis 10. November 1989 sollte die Idee des ersten Seminars weiterentwickelt werden, mit einem starken Fokus auf Innenstadt und Stadterneuerung – auch im internationalen Austausch (mit Teilnehmer*innen u. a. aus der BRD, Israel, Sowjetunion). Dabei wurden die Verhältnisse in der DDR auch kritisch reflektiert und – im Kontext der „Wende-Ereignisse“ bzw. der „friedlichen Revolution“ – Strategien entwickelt, die über das ursprüngliche Ziel einer Stadterneuerung hinausreichten. Die Vertreter aus der DDR und dem westlichen Ausland entwickelten verschiedene Szenarien und Perspektiven, zu denen schließlich auch die strategische Perspektive eines „sozialorientierten industriellen Gartenreichs“ (Bodenschatz 2012: 196) gehörte. Damit legte das Seminar in der „Wende“-Woche den Grundstein für das Projekt „Industrielles Gartenreich“, das die Arbeit des Bauhauses in Dessau über Jahre hinweg prägte und als „Korrespondenzstandort“ Teil der EXPO 2000 wurde. (Kegler 2020: 122-131)
Autorin: Jana Breßler